Was sind erbliche Tumorsyndrome?

Als erbliche Tumorsyndrome (ETS) werden Krankheitsbilder mit einem deutlich erhöhten Lebenszeitrisiko für die Entstehung bestimmter, zum Teil sehr früh auftretender Tumore bezeichnet. Die Veranlagung (Disposition) beruht meist auf einer genetischen Veränderung (Keimbahn-Mutation / konstitutionelle Mutation) in einem einzelnen Gen. Es handelt sich somit um klassische erblich bzw. genetisch bedingte Krankheitsbilder, die den Mendelschen Gesetzen der Vererbung (dominant, rezessiv) folgen. Vererbt wird dabei nicht der Tumor selbst, sondern die genetische Disposition für ein erhöhtes Tumorrisiko; präziser spricht man deshalb auch von Tumordispositions-Syndromen (TDS) oder genetischen Tumorrisiko-Syndromen (GENTURIS).

Etwa 5-10% aller (soliden) Krebserkrankungen beruhen auf einer monogen erblichen Veranlagung; je nach Tumortyp und Erkrankungsalter kann der Anteil aber deutlich höher liegen. Damit treten allein in Deutschland jährlich mindestens 25.-50.000 Krebserkrankungen im Kontext eines ETS auf. Bei bis zu 30% der Patienten mit bösartigen Erkrankungen beobachtet man eine familiäre Häufung von Tumoren, die an eine erbliche Form denken lässt. Das Vorliegen eines ETS ist deshalb eine häufige Differentialdiagnose bei der Erhebung der Eigen- und Familiengeschichte.

5-10% aller Krebserkrankungen beruhen auf einer erblichen Veranlagung
Jährlich treten somit in Deutschland 25.-50.000 Krebserkrankungen im Kontext eines ETS auf
Bei bis zu 30% der Patienten besteht eine familiäre Häufung von Krebs

Die Erkennung und korrekte Einordnung eines ETS ist von hoher klini­scher Bedeutung, da Patienten, Risikopersonen und asymptomatische Anlageträger eine im Vergleich zu Patienten mit sporadischen Krebserkrankungen spezielle, intensivere und langfristigere medizinische Betreuung benötigen. Einerseits besteht ein hohes Lebens­zeitrisiko für Tumore eines bestimmten und zum Teil breiten Spektrums sowie ein hohes Erkrankungsrisiko bei verwandten Familienangehörigen; andererseits ist durch intensi­vierte Vorsorge- und Früherkennungs-Untersuchungen sowie vorbeugende chirurgische Maßnahmen häu­fig eine effiziente Krebsprävention möglich. Zum Teil bestehen auch spezifische medika­mentöse Therapieansätze.

Erbliche Tumorformen stehen deshalb für ein äußerst erfolgreiches Kon­zept der präventiven Onkologie und personalisierten Medizin. Sie begegnen dem Arzt in jeder Altersgruppe und zeigen eine mitunter ausgeprägte klinische Variabilität, auch inner­halb einer Familie. Für die professionelle Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen ist in besonderem Maße eine enge Zusammenarbeit zwischen Humangenetik, Pathologie und verschiedenen klinischen Disziplinen notwendig. Spezialisierte interdiszipli­näre Zentren sollten deshalb in Diagnostik und Koordination der Behandlung und Früherken­nung eingebunden sein.

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